Westmünsterland. „Wie kann Bildung Zukunft sichern?“ Das diskutierte jetzt ein illustrer Expertenkreis auf Einladung der VR-Bank Westmünsterland. Anlass war der Rückblick auf 10 Jahre Schulprojektförderungen durch die VR-Westmünsterland Bildungsinitiative e.V.
Der seinerzeit durch die VR-Bank ins Leben gerufene Verein unterstützt mit jährlich 50.000 Euro Projekte der regionalen Schulen. Insgesamt floss dabei bereits eine halbe Million Euro in über 400 geförderte Projekte.
„Dieser Erfahrungsschatz macht die VR-Bildungsinitiative zu einem Seismographen für Entwicklungen in der Schullandschaft. Mit unseren Gästen wollen wir daher heute aus dieser Basis heraus Thesen für die Zukunft der Bildung und ihrer Bedeutung für die Region diskutieren“, leitete Berthold te Vrügt, Vorstand der VR-Bank und ihrer Bildungsinitiative, die Gesprächsrunde in der Stadtlohner Losbergschule ein. Moderiert wurde sie von Anne Eckrodt, der stellvertretenden Chefredakteurin der Westfälischen Nachrichten und Partnerverlage.
Dorothee Feller, Regierungspräsidentin der Bezirksregierung Münster, verdeutlichte zu Beginn die hohe Bedeutung solcher Initiativen: „Dieses Engagement trägt dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler über den Tellerrand blicken und Einblicke in andere Lebensbereiche bekommen.“ Auch aus Sicht der Schulen bringt das Engagement positive Impulse: „Die Bildungsinitiative ist ein großes Plus für die Schulen. Die Projekte bereichern den Schulalltag“, sagte Birgit Kentrup, Leiterin der Losbergschule, die auch Mitglied im Gremium der Bildungsinitiative ist, das halbjährlich über die Vergabe der Mittel entscheidet.
Unternehmer und Bildungsexperten fordern Nachdenken über Bildungsprofil
Die geförderten Projekte können dazu beitragen, selbstständiges und soziales Handeln der Schülerschaft zu unterstützen. Eigenschaften, die im Schulalltag häufig zu kurz kommen können, wie die Diskutanten darlegten. Aber gerade darauf legen Unternehmen wert: „Bei uns entscheiden letztlich nicht Schulnoten über die Auswahl von Mitarbeitern. Für uns sind Eigenverantwortung, Teamfähigkeit und unternehmerisches Denken viel wichtiger“, sagt Mario Dönnebrink, Vorstand der Softwarefirma d.velop in Gescher. Sein Unternehmen habe flache Hierarchien eingeführt und benötige daher Mitarbeiter, die selbst Entscheidungen treffen und Verantwortung im Team übernehmen.
In Zukunft ist ein Mix unterschiedlicher Lernformen gefragt, betonte auch Dr. Nikolaus Schneider, Direktor der VHS – aktuelles forum - mit Sitz in Ahaus. Der Bildungsexperte plädiert für ein breites Verständnis des Lernens: „Wir brauchen einen ganzheitlichen und offenen Bildungsbegriff. Dazu gehören handwerkliche und körperliche Prozesse ebenso wie emotionale und soziale.“ Projekte außerhalb der Schulklasse böten den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, sich auszuprobieren und neue Rollen zu erlernen. Lernen sei ein lebenslanger Prozess, der nicht mit der Schule beginnt und auch nicht mit dem Ende der Schulzeit endet.
Aus der Coronakrise lernen
Ein weiteres zentrales Zukunftsthema ist auch bei der Bildung die Digitalisierung. Die Coronakrise hat nach Auffassung der Diskussionsteilnehmer deutlich gemacht, dass deren Potenzial im Bildungssystem bei weitem noch nicht ausgeschöpft wird. Vielen Schulen mangele es an der Ausstattung mit Tablets und Notebooks. Hier ermunterte Regierungspräsidentin Feller die Schulen, die jetzt umfänglichen Fördertöpfe zu nutzen. Aber auch in den Schulalltag integrierte digitale Lernplattformen kamen während der Krise viel zu selten oder erst spät zum Einsatz. Dabei ermöglichen sie den Schulen, aber letztlich allen Menschen Zugang zu erstklassigem Wissen und somit auch mehr Bildungsgerechtigkeit. Den Lehrerinnen und Lehrern böten sich durch deren Nutzung auch Freiraum im Unterricht etwa für die Vermittlung wichtiger persönlicher Kompetenzen.
In Zukunft gehe es deshalb darum, die Möglichkeiten der Digitalisierung stärker und besser zu nutzen. „Es braucht aber Zeit, die Strukturen, in denen Lehrerinnen und Lehrer wirken, auf die neuen Anforderungen auszurichten“, sagte Regierungspräsidentin Feller. Sie verwies darauf, dass Lehrer mittlerweile auch spezifisch für die Digitalisierung ausgebildet werden. Das sei eine wichtige Aufgabe, auch um Schülerinnen und Schülern im Sinne eines erweiterten Bildungsverständnisses Kompetenz im Umgang mit sozialen Medien vermitteln zu können.
„Und auch viele Familien stellte die Situation vor große organisatorische und finanzielle Probleme,“ war eine Erfahrung von Birgit Kentrup. „Teilweise fehlte die technische Ausstattung, bis hin zum Breitbandanschluss, andererseits aber auch die Unterstützung seitens der Eltern selbst.“ Die Coronakrise, so der Tenor, habe Probleme offengelegt, die Schulen waren in der Breite nicht vorbereitet auf das digitale Lernen. Auch soziale Unterschiede wurden in der Krise deutlich und teilweise verschärft.
Brückenschlag zwischen Wirtschaft, Politik und Schule
Auch die Unternehmen spielen eine zentrale Rolle beim lebenslangen Lernen. Die VR-Bildungsinitiative kann mit der Unterstützung von Projekten einen Schritt dazu leisten, die Schülerschaft auch außerhalb des Unterrichts zu fördern, so Hans-Peter Boer, ehemaliger Kulturdezernent der Bezirksregierung und Mitglied des Entscheidungsgremiums der VR-Westmünsterland Bildungsinitiative: „Das Thema Wirtschaft und Schule war früher ein rotes Tuch. Das hat sich grundlegend geändert.“ Hier sprang Regierungspräsidentin Feller ihm bei und ergänzte: „Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Politik und Schule ist ein wichtiger Brückenschlag“. Der Staat und die Schulen könnten die vielfältigen Aufgaben rund um das Thema Bildung alleine nicht leisten.
Eine Zusammenarbeit, die die VR-Bank gern unterstützt: Dr. Carsten Düerkop, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Westmünsterland, sagte für die Bank zu, den Fördertopf der VR-Bildungsinitiative für 2020 um weitere 10.000 Euro auf 60.000 Euro aufzustocken. Denn gerade in Zeiten von Corona sei der Bedarf groß. Über 30 Anträge gingen aus den Schulen im Westmünsterland in den ersten sechs Monaten ein. Für Dr. Düerkop ein Engagement, das sich in jeder Hinsicht lohnt: „Wir fördern Projekte, die bei den jungen Menschen Interessen wecken und Grundfähigkeiten ausbauen. Davon profitieren alle.“
Die Diskussionsergebnisse werden jetzt direkt Einfluss nehmen auf die Arbeit der VR-Westmünsterland Bildungsinitiative, so Berthold te Vrügt abschließend: „Direkt im Anschluss an diese Runde beginnt die Sitzung des Vergabegremiums über die 30 neuen Anträge der Schulen, die uns vorliegen. Ich bin wieder gespannt auf den Mix aus sozialen, kulturellen, handwerklich und technisch orientierten Projekten. Die Diskussionsrunde hat uns sehr geholfen“, bedankte er sich abschließend bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern.