Schüler werden zu Unternehmern

Coesfeld.

„Schülergenossenschaften sind besondere Schülerfirmen. Hier gestalten Schülerinnen und Schüler aller Schulformen selbst handelnd und realitätsnah das demokratisch-solidarische Geschäftsmodell Genossenschaft.“ Dies erklärte Schulministerin Sylvia Löhrmann jüngst auf der ersten interaktiven Netzwerk-Messe der Schülergenossenschaften in Düsseldorf. Als Schirmherrin dieses Projektes sieht sie „genossenschaftlich organisierte Schülerfirmen als ein großartiges Beispiel dafür, wie wirtschaftliches Basiswissen und eigenverantwortliches, solidarisches Handeln sinnvoll in das Schulleben integriert werden können."

In Coesfeld geht aktuell das erste Beispiel für genossenschaftliches Handeln und Wirtschaften in Schülerhand an den Start. Dazu unterzeichneten Monika Stoll-Röhl, Leiterin des Oswald-von-Nell-Breuning Berufskollegs, und Georg Kremerskothen, Vorstand der VR-Bank Westmünsterland eG, eine Kooperationsvereinbarung zur Gründung einer Schülergenossenschaft. Der von Schülerinnen und Schülern des Oswald-von-Nell-Breuning Berufskollegs in Coesfeld geführte „Schülerladen“ soll im Sommer in eine „Schülergenossenschaft“ überführt werden - der ersten im Kreis Coesfeld. „Wir freuen uns, dass wir dafür als Partnergenossenschaft die VR-Bank Westmünsterland eG gewinnen konnten“, erklärte Schulleiterin Monika Stoll-Röhl.

„Wir beteiligen uns als betreuende Patengenossenschaft in diesem Projekt, weil bereits während der Schulzeit ein Grundstein für werteorientierte Unternehmensführung gelegt wird“, erläuterte Georg Kremerskothen beim Pressegespräch zur Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung. „Die Arbeit in einer Schülergenossenschaft zeigt den Jugendlichen auf, wie aus solidarischem Handeln, Teamwork und demokratischer Entscheidungskultur persönlicher Erfolg entsteht. Auch die VR-Bank Westmünsterland ist eine Genossenschaft. Insofern kennen wir die Besonderheiten und Vorteile dieser Unternehmensform und wissen, wie man eine Genossenschaft zum Erfolg führt“, so Kremerskothen weiter.

schuelergeno ovnb bk 2013
Autogramm für die erste Schülergenossenschaft im Kreis Coesfeld (vorne v.l.):
Hans Huck-Hameyer (Vorsitzender Forderverein), Georg Kremerskothen (Vorstand VR-Bank Westmünsterland), Monika Stoll-Röhl (Schulleiterin Oswald-von-Nell Breuning Berufskolleg), Koray Darvarcioglu (Lehrer und Mentor der Schülergenossenschaft)

Um den Erfolg zu garantieren ist die Schule in ein Netzwerk eingebunden, das aus der Partnergenossenschaft, der Stiftung „Partner für Schule NRW“, der Fachhochschule Frankfurt am Main (Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit - Prof. Dr. Nicole Göler von Ravensburg) und dem Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverband e.V., Münster, besteht. Die Partnergenossenschaft ist Realwelt-Partner der Schülergenossenschaft. Sie unterstützt Schule und Schülergenossenschaft durch die kostenlose Bereitstellung der erforderlichen Lehr- und Lernmaterialien. Außerdem werden junge Kollegen der VR-Bank dem Vorstand der Schülergenossenschaft helfend zur Seite stehen. Der Start der neuen Schülergenossenschaft ist - nach Abschluss aller vorbereitenden Arbeiten und nach Eintrag in das offizielle Genossenschaftsregister der Schülerfirmen - das neue Schuljahr 2013/2014.

Interview mit Monika Stoll-Röhl zur Gründung der ersten Schülergenossenschaft im Kreis Coesfeld:


Was waren für Sie die drei überzeugendsten Argumente, eine Schülergenossenschaft auf den Weg zu bringen?

Das erste Argument ergibt sich aus unserer Schulform: Als Berufskolleg wollen wir nicht nur theoretisches Wissen vermitteln, sondern auch die Anwendung dieses Wissens im Kontext der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realität des unternehmerisch Tätigen. Dafür eignet sich eine Schülerfirma optimal. Dies entspricht auch unserem Leitbild im Schulprogramm: „Wir fördern junge Menschen ganzheitlich für eine gute Zukunft unserer Welt.“

Ein zweites wichtiges Argument ist der Genossenschaftsaspekt, in dessen Fokus ja gerade die Förderung der Mitglieder steht. Darüber hinaus ist es gerade in Zeiten von Finanzkrise und Co., die ja teils durch übertriebene Renditevorstellungen ausgelöst wurde, wichtig, Schülerinnen und Schülern eine Unternehmensform aufzuzeigen, die nicht den reinen Gewinnerzielungscharakter hat, sondern einen gemeinnützigen Zweck verfolgt. Hinzu kommt, dass sich die Beteiligten bereits im Rahmen der Erstellung eines Geschäftsplans mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit auseinandersetzen.

Das dritte Argument ist der Perspektivwechsel, den die Schüler und Schülerinnen einüben. Sie sind nicht Konsumenten und Abnehmer, sondern Anbieter und Gestalter. Sie agieren nicht als Einzelkämpfer, sondern als verantwortungsbewusstes Mitglied im Team und lernen, dass alle Entscheidungen Konsequenzen haben. Mit der Registereintragung wird die jährliche Überprüfung der Schülergenossenschaft eingeleitet. Dies motiviert die Beteiligten zudem, die kaufmännischen und organisatorischen Anforderungen ernst zu nehmen und zu erfüllen.

Welche Hürde, die Sie auf dem Weg zur Neugründung nehmen mussten, war die Schwerste? Und: Hat man Ihnen geholfen, sie zu meistern?

Zwei Hürden waren auf dem Weg zur Neugründung zu bewältigen. Zunächst ist das einmal die rechtliche Dimension, in der sich jede Schule bewegt. Danach folgt als zweites die finanzielle Dimension, denn auch eine Schülerfirma benötigt Startkapital. Wir haben Hilfe gefunden: Das Land NRW und die Stiftung Partner für Schule unterstützt durch Informationen und vielfältige Hilfen die Gründung einer Schülergenossenschaft.

Der Förderverein der Schule hat nach ausgiebiger Diskussion entschieden, die Anschubfinanzierung sicher zu stellen. Dafür sind wir dankbar.

Die VR-Bank Westmünsterland, hat sich dankenswerter Weise bereit erklärt, als Partnergenossenschaft vor Ort zu fungieren. Wir kennen die VR-Bank als verlässlichen Partner der Schule in fußläufig erreichbarer Nähe in Coesfeld, so dass der kurze Weg Kontakte und Kooperationen ohne aufwändigen Zeitverlust ermöglicht; so ist beispielweise für den nächsten Donnerstag ein gemeinsamer Gründungsworkshop in den Räumen der VR-Bank in Coesfeld geplant.

„Genossenschaften sind old economy“ – das hört man häufig. Sie haben sich trotzdem dafür entschieden. Warum?

„old economy“ ist zweifelsohne richtig, denn das Genossenschaftsgesetz stammt aus dem Jahr 1889, wurde letztmalig im Jahr 2006 grundlegend reformiert. Der Genossenschaftsgedanke selbst ist sogar noch älter; ich erinnere da nur an ersten Genossenschaften im 19. Jahrhundert, die als Hilfsvereine für Notleidende Unterstützung boten – nach den Grundsätzen der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Auch heute erleben die Genossenschaften wieder einen starken Aufschwung. Gerade im Bereich der erneuerbaren Energien hat sich die Zahl der Energiegenossenschaften zur Bewältigung der Umweltproblematik und der Ressourcenverknappung quasi vervielfacht. Insofern beinhaltet der Genossenschaftsgedanke auch ein Konzept zur Förderung solidarischer Ökonomiekompetenz und zum Nachhaltigkeitsverständnis unserer Schülerinnen und Schüler.

Blicken wir in die Zukunft: Ihre Schülergenossenschaft wird 2014 ein Jahr alt. Was wollen sie bis dahin erreicht haben?

Unser Zeitplan sieht folgendermaßen aus: Heute unterschreiben wir die Kooperationsvereinbarung mit unserer Partnergenossenschaft, in der nächsten Woche findet der vorbereitende Gründungsworkshop statt. Bis zum Beginn der Sommerferien haben die Schülerinnen und Schüler die Satzung und das Geschäftsmodell festgezurrt sowie den Businessplan aufgestellt, so dass die Gründung ins Genossenschaftsregister der Schülerfirmen eingetragen werden kann. Nach dem Sommerferien beginnt das erste Geschäftsjahr. Die beteiligten Schülerinnen und Schüler freuen sich bereits jetzt auf die neue Herausforderung.

Als Lehrkräfte wünschen wir uns, dass das Schülerteam gefestigt ist, dass es aktiv, zuverlässig und verantwortungsbewusst die Entwicklung der Schülergenossenschaft voranbringt und sich allen Aufgaben, die die Schülergenossenschaft mit sich bringt, stellt. Die Schülerinnen und Schüler haben Spaß an dieser Form des Unterrichts und befürworten die Fortführung der Geno – auch durch ihre Nachfolger. Die erste in- und externe Evaluation hat stattgefunden und ermöglicht u.U. auch Kurskorrekturen. Die Fachhochschule Frankfurt als Evaluationsinstanz gibt uns die Rückmeldung, auf dem richtigen Weg zu sein. Und wenn sich das dann auch mit unserer Wahrnehmung deckt, dann sollten alle Beteiligten, die heute hier am Tisch sitzen, wieder zusammentreffen, sich austauschen und zu dem Schluss kommen, dass die Gründung ein Erfolg war und eine zukunftsorientierte Chance der Fortsetzung verdient hat.